Lili Elbe, Magnus Hirschfeld, Audre Lorde & Herculine Barbin
Lili Elbe: Eine Pionierin der Transgeschichte
Lili Elbe (*28. Dezember 1882 † 12. September 1931) war eine der ersten bekannten Transfrauen, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog, und eine wegweisende Figur in der Geschichte der Transgender-Bewegung.
Geboren als Einar Wegener in Dänemark, führte Lili Elbe zunächst das Leben eines erfolgreichen Künstlers. Zusammen mit ihrer Frau, der Malerin Gerda Wegener, lebte sie in einem kreativen und weltoffenen Umfeld, das ihr die Möglichkeit gab, ihre Identität als Frau zu entdecken. Der Wendepunkt kam, als Lili, damals noch als Einar bekannt, für Gerdas Portraits Modell stand und dabei Frauenkleider trug. Diese Erfahrung offenbarte ihr ihre eigentliche Identität als Frau, und mit der Unterstützung ihrer Frau begann sie, sich immer häufiger als Lili zu präsentieren.
In den späten 1920er Jahren entschied sich Lili Elbe, einen mutigen und riskanten Schritt zu gehen: die geschlechtsangleichende Operation. In einer Zeit, in der Transidentität kaum verstanden wurde und die medizinischen Möglichkeiten noch in den Anfängen standen, ließ sich Lili in Deutschland von Magnus Hirschfeld und seinem Team behandeln. Zwischen 1930 und 1931 unterzog sie sich mehreren Operationen. Diese erste bekannte medizinische Geschlechtsangleichung zog internationale Aufmerksamkeit auf sich und brachte Fragen zu Geschlecht, Identität und medizinischer Ethik in den Vordergrund. Lili selbst sprach oft davon, dass sie das Gefühl hatte, als Frau neu geboren zu werden, und äußerte den Wunsch, ein ruhiges und friedliches Leben als die Frau zu führen, die sie immer war.
Nach Komplikationen bei einer letzten Operation starb Lili Elbe 1931 im Alter von 48 Jahren. Ihre
posthum veröffentlichte Autobiographie gab der Welt einen tiefen Einblick in die Herausforderungen und Kämpfe, die sie durchlebte, und machte ihre Geschichte einem breiteren Publikum zugänglich.
Auf dem Gemälde ist Lili mit einer aufgeschnittenen Kiwi dargestellt. Die Kiwi etablierte sich in den letzten Jahren als Symbol für sogenannte TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminists) etabliert. Diese Gruppierung vertritt feministische Ansichten, lehnt jedoch die Anerkennung von Transfrauen als Frauen ab und steht der Transgender-Bewegung kritisch gegenüber.
Magnus Hirschfeld: Pionier für sexuelle Vielfalt und Menschenrechte
Magnus Hirschfeld (*14. Mai 1868 † 14. Mai 1935) war ein wegweisender Sexualwissenschaftler und unermüdlicher Kämpfer für die Rechte queerer Menschen. Sein Leben und Werk prägten den frühen Kampf gegen die Marginalisierung sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in einer Zeit, in der diese stark stigmatisiert und verfolgt wurden.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts erkannte Hirschfeld die Dringlichkeit, den Paragraphen 175 des deutschen Strafgesetzbuchs abzuschaffen, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Er gründete die erste Organisation, die sich diesem Ziel widmete, und setzte sich zeitlebens für die Entkriminalisierung und Entpathologisierung gleichgeschlechtlicher Liebe ein.
Als Mediziner war Hirschfeld der erste, der Trans- und Intergeschlechtlichkeit als natürliche Variationen des Geschlechterspektrums beschrieb – eine revolutionäre Ansicht in einer Zeit, in der solche Identitäten als Krankheiten angesehen wurden. Den Begriff „Transvestie“ prägte er, um das Phänomen der Geschlechtsvarianz besser zu beschreiben und zu enttabuisieren.
1918 gründete Hirschfeld in Berlin das weltweit erste Institut für Sexualwissenschaft. Dort wurde nicht nur wissenschaftliche Forschung betrieben, sondern es diente auch als Zufluchtsort und Leuchtturm für die queere Gemeinschaft. Es war ein Ort, an dem Menschen Beratung und Unterstützung finden konnten, frei von gesellschaftlichen Vorurteilen.
Hirschfeld machte keinen Hehl aus seiner eigenen polyamoren Beziehung zu zwei Männern und trat offen für sexuelle Vielfalt ein. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft und seines Engagements für die Rechte von Minderheiten geriet er schnell ins Visier der Nationalsozialisten. Nach einem brutalen Angriff durch einen rechten Schlägertrupp sah er sich gezwungen, 1930 ins Exil zu fliehen.
Aus der Schweiz musste Hirschfeld hilflos mitansehen, wie die Nationalsozialisten 1933 sein Institut plünderten und seine Schriften verbrannten – ein symbolischer Akt des Hasses gegen seine lebenslange Arbeit für Aufklärung und Gerechtigkeit. Zwei Jahre später, 1935, starb Magnus Hirschfeld im Exil in Frankreich.
Audre Lorde: Kämpferin für Gerechtigkeit und poetische Stimme des Widerstands
Audre Lorde (* 18. Februar 1934 † 17. November 1992) war eine afroamerikanische Schriftstellerin, Dichterin, Feministin und Aktivistin. Mit ihren eindringlichen Gedichten und Schriften verlieh sie marginalisierten Stimmen Gehör und forderte radikale Veränderungen in der Gesellschaft.
Lorde, die sich selbst als „Schwarze, Lesbe, Feministin, Kriegerin und Dichterin“ beschrieb, setzte sich verstärkt für die Rechte von Frauen ein, insbesondere von Schwarzen Frauen und queeren Menschen. Ihre Werke thematisieren die Schnittstellen verschiedener Unterdrückungserfahrungen und fordern eine umfassendere und intersektionale Perspektive auf Gerechtigkeit und Emanzipation. Sie war eine der ersten, die die Verflechtung von Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit als untrennbare Systeme der Unterdrückung benannte.
Audre Lorde verstand die Macht der Sprache als Werkzeug des Widerstands. Ihre Gedichte und Essays sind geprägt von einer tiefen Emotionalität, Ehrlichkeit und Klarheit. Sie sprechen von den persönlichen und kollektiven Kämpfen, von Wut und Trauer, aber auch von Liebe und Solidarität. Für Lorde war Poesie nicht nur Kunst, sondern eine Form der politischen Aktion – eine Möglichkeit, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten anzuprangern und gleichzeitig Hoffnung zu verbreiten.
Als Aktivistin arbeitete Lorde international mit feministischen und antirassistischen Bewegungen zusammen. Besonders stark engagierte sie sich in den 1980er Jahren in Berlin, wo sie zur Verbindung zwischen der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und der aufkommenden afrodeutschen Bewegung beitrug. Sie half afrodeutschen Frauen, ihre Stimmen zu finden, und inspirierte eine neue Generation von Aktivist*innen und Künstler*innen, ihre Identitäten und Erfahrungen selbstbewusst zu leben und zu vertreten.
Audre Lorde starb 1992. Ihr Motto „Dein Schweigen wird dich nicht schützen“ ermutigt bis heute Menschen auf der ganzen Welt, ihre Stimmen gegen Ungerechtigkeiten zu erheben und für eine gerechtere, inklusive Gesellschaft einzutreten. Lordes Mut, ihre Vision und ihr unermüdlicher Einsatz für soziale Gleichheit machen sie zu einer Ikone des queeren, feministischen und antirassistischen Widerstands.
Herculine Barbin: Eine Ikone der Intergeschlechtlichkeit
Herculine Barbin (1838–1868) ist eine außergewöhnliche und bewegende Figur der queeren Geschichte, deren Lebensgeschichte das Verständnis von Geschlecht und Identität tiefgreifend beeinflusst hat. Als intergeschlechtliche Person im Frankreich des 19. Jahrhunderts geboren, war Barbin über weite Teile ihres Lebens als Frau bekannt und lebte zunächst unter dem Namen Herculine Adelaide "Alexina" Barbin. Ihre Existenz als „Hermaphrodit“ – wie man im medizinischen Sprachgebrauch der Zeit sagte – wurde erst spät von Ärzten entdeckt, die daraufhin eine gerichtliche Anordnung durchsetzten, dass sie fortan als Mann, „Abel Barbin“, leben sollte, eine Identität, die sie nie als ihre eigene empfand.
Herculines Memoiren, die erst posthum durch Michel Foucault veröffentlicht wurden, erlauben einen tiefen Einblick in das emotionale und gesellschaftliche Ringen, das Barbin erlebte. Ihre Aufzeichnungen schildern die Einsamkeit und das Unverständnis, dem sie in einer streng binären und von religiösen Normen geprägten Gesellschaft ausgesetzt war. Sie beschreiben eine Identität, die keine gesellschaftliche Kategorie findet, eine Person, die zwischen den Polen weiblich und männlich existierte und damit die Grenzen und Zwänge dieser Normen aufzeigt. Für die queere Gemeinschaft sind ihre Worte ein unvergleichliches Zeugnis für die Unsichtbarkeit und das Leid, das mit nicht-normativen Geschlechtsidentitäten einhergeht.
Heute gilt Herculine Barbin als queere Ikone, die die Grauzonen zwischen Geschlecht und Identität sichtbar macht und das menschliche Bedürfnis nach Anerkennung und Verständnis anspricht. Ihre Geschichte bleibt ein tief bewegender Aufruf für ein offeneres, flexibleres Verständnis von Identität – eine Erinnerung daran, dass die Individualität des Menschen oft jenseits der sozialen Kategorien von „männlich“ und „weiblich“ liegt.